Zum
40. Jubiläum wird die bahnbrechende erste Platte der Young Marble
Giants neu veröffentlicht. Mit "Colossal Youth" hat die Band etwas
Besonderes geschaffen. Einen Monolithen in der Poplandschaft.
Einen Sound, ohne den vieles aus der Musiklandschaft heute nur
schwer denkbar ist.
Der
Masterplan für das erste und einzige Album der Young Marble Giants,
sagt mir zumindest Stuart Moxham per Telefonschalte: "Ich wollte
unbedingt als Songwriter etwas Bedeutsames erschaffen. Ich war
kein besonderer Gitarrist, ich hatte nur drei Jahre Übung. Ich
brauchte also eine besondere Idee. Wir wollten die Musik so einfach
wie möglich stricken, denn ich habe damit gerechnet, dass wir
scheitern würden. Das war bei Weitem das Wahrscheinlichste. Niemand,
den wir kannten, war erfolgreich. Erfolg war nahezu unmöglich.
Ich wollte keine Zeit verschwenden. Wir gaben uns ein Jahr Zeit
und sagten uns 'Lasst uns Material für eine Stunde schreiben,
das könnte dann ein Album ergeben'. Wir sind mit einem klaren
Plan rangegangen."
Das
einzige Album verzaubert nun schon seit 40 Jahren
Wer
fast alles weglässt, muss sich sicher sein, dass das bisschen,
was stehenbleibt, tatsächlich zündet, knallt, verzaubert. Colossal
Youth, Kolossale Jugend: Das einzige Album der Young Marble Giants
verzaubert Musikfans nun schon seit 40 Jahren. Ein paar Basstöne,
so unregelmäßig wie ein Herz, das gar nicht hinterherkommt, zu
schlagen, eine Drum-Machine, ein paar wenige Riffs auf der Rickenbacker
425 – und natürlich Sie – Alison Statton, ihre Stimme, ganz weit
draußen, auf dem letzten Felsen vor dem Nichts. Ein akustischer
Leuchtturn, der gelegentlich zwinkert und blinkt, oft schon im
Notstrom-Modus, aber umso mehr holt er uns ab, zieht unsere Aufmerksamkeit,
wir die wir draußen sind auf stürmischer See.
"Punk
war ja gerade losgegangen", erzählt Moxham weiter, "aber Punk
hat mich enttäuscht. Punk wollte revolutionär sein, aber mir kam
es damals eher vor wie ein Hype. Noch mehr krachlauter Rock‘n’Roll,
nur schneller gespielt. Deshalb dachte ich – wir machen alles
anders, wir brechen alle Konventionen." Die Schönheit der Young
Marble Giants, laut dem Gitarrist und Songwriter, entstand also
aus dem Geist, der stets verneint. Nein zum Getöse des Punk, der
so rockistisch daherkam wie der Feind, gegen der er sich wandte.
Nein zum Bombast des Prog-Rocks der älteren Brüder. Nein zu all
dem Firlefanz, der von der Essenz des Sounds nur ablenken würde.
Trotzdem kam die Musik der Young Marble Giants nicht aus dem Nirgendwo.
Entstanden
aus dem Geist, der stets verneint
Stuart
bewunderte vor allem die erste Roxy-Music-Platte und Brian Enos
Minimal-Gedicht „By This River“. Und Ultravoxx, die 1977 einen
Song wie "Hiroshima Mon Amou"“ hingetupft hatten, der einen ähnlichen
"Skeletal Space" eröffnet, einen gespensterhaft leeren Raum, wie
kurz darauf die Young Marble Giants. "Wir wollten kein richtiges
Schlagzeug", sagt Moxham dazu. "Und am liebsten gleich auf alle
Instrumente verzichten, die nicht absolut notwendig waren. Wir
wollten sehr leise sein. Und nur ganz kurze Songs spielen. Kurze
und sehr melodiöse Songs. Gesungen von einer Frau."
Vielleicht
sind die Songs der Young Marble Giants deshalb gleichzeitig so
nah wie entrückt, weil sie sozusagen genderfluid sind, das Geschlecht
wechseln. Die Texte kommen alle von Moxham selbst, aber Allison
Statham liest sie sozusagen blind, wie er berichtet: "Das absolut
Besondere war, dass sie die Songs sofort konnte, fast aus dem
Stand. Ich musste sie ihr nur kurz vorsingen. Und sie hatte genau
den richtigen Stimmumfang dafür, das war ja nicht selbstverständlich.
Ich wäre ja sonst mit meinem Latein am Ende gewesen. Sie war die
Richtige, ich will jetzt nicht gemein sein, aber sie war fast
wie ein Papagei. Sie hat ein hervorragendes Gehör. Und konnte
es exakt so umsetzen, wie ich es gemeint hatte".
Kurt
Cobain war großer Fan
Mit
dem Album "Colossal Youth" haben die Young Marble Giants mächtig
Eindruck hinterlassen. Ein einziger Schuss hat also genügt. Kurt
Cobain war großer Fan, seine Frau Courtney Love hat mit ihrer
Band Hole den Giants-Song "Credit In The Straight World" gecovert.
Und auch der Sound von The XX wäre ohne "Colossal Youth" nur schwer
denkbar. 40 Jahre später lebt Stuart in Dorset – und gewöhnt sich
langsam an den Gedanken, dass sein Plan aufgegangen ist: "Ich
hab sehr lange gebraucht, bis ich akzeptieren konnte, dass wir
da einen Monolithen erschaffen haben. Was Besonderes. Etwas, das
wie nichts anderes klingt. Das hatte viel damit zu tun, dass das
Album zum 40. Geburtstag nochmal erschienen ist. Es war nicht
einfach, aber jetzt bin ich schon sehr geschmeichelt und stolz
auf das, was wir erreicht haben!".
---------------------------------------------------------------
.
Click here for another radioprogram about YMG on Bayern
2:
Das kurze, aber wegweisende Bandleben
der Young Marble Giants
Ein
Beitrag von: Michael Bartle (54 minutes, 13.08.2021)
Die
Popgeschichte hat viele aufregende Debüts gesehen. Eine absolute
Seltenheit im Rock'n'Roll-Business ist es aber, ein Debütalbum
rauszuhauen, das die Welt mit offenem Mund dastehen lässt. Eines,
nach dem sich andere Bands benennen werden. Nur um dann, kurz
danach, einfach zu verschwinden. Für mehr oder weniger 40 Jahre
lang. Eine solche Band waren die Young Marble Giants. Mit ihrem
Denker und Lenker Stuart Moxham hat Michael Bartle lange gesprochen.
---------------------------------------------------------------
|
|